Hören
Oder lesen
Ich gehöre zu den Menschen, die gern und viel reden. Ich rede, um meine Gedanken zu sortieren, meine Ideen zu teilen oder andere zum Lachen zu bringen. Ich rede, weil ich Stille vermeiden möchte oder Angst habe, überhört zu werden. Reden ist für mich so selbstverständlich wie Atmen. Aber genau das kann manchmal zum Problem werden – für mich selbst und für andere.
Wenn ich zum Beispiel nur spreche, um meine eigenen Gedanken und Gefühle zu sortieren. Dann kreise ich im Gespräch um mich selbst und mein Gegenüber weiß dann gar nicht, ob er gemeint ist. Oder wenn ich so darauf fixiert bin, meinen eigenen Standpunkt noch klarer zu machen. Dann höre ich gar nicht mehr zu und
überhöre die Meinung meiner Gesprächspartnerin.
Manchmal kann ich auch gar nicht aufhören, etwas zu erzählen und auszuschmücken, was ich erlebt habe, und merke viel zu spät, dass der andere gar nicht zu Wort kommt.
Im Urlaub entdeckte ich im Schaukasten einer Klosterkirche einen großen Zettel. Auf dem stand nichts anderes als: „Schweigen vertieft das Reden.“ Dieser Satz hat mich innehalten lassen. Er erinnert mich an die Kraft des Schweigens, das noch viel mehr ist als Nicht-Reden. Schweigen schenkt innere Ruhe, in der sich die Gedanken klären können. Schweigen schafft Raum für kreative Ideen. Schweigen lädt ein zur Reflexion und ermöglicht es mir, wirklich zuzuhören, statt nur zu antworten.
In Klöstern ist Schweigen oft ein fester Bestandteil des täglichen Lebens. Die Nonnen und Mönche nutzen den Raum der Stille, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und eine tiefere Verbindung zu ihrem Glauben zu finden. Aber wir müssen nicht ins Kloster gehen, um die Kraft des Schweigens zu erfahren. Auch in unserem hektischen Alltag können wir uns bewusst Momente der Stille nehmen, die unser Leben bereichern.
Schweigen als Geschenk im Gespräch
Gerade im Beruf oder in der Familie bin ich oft versucht, sofort auf Fragen oder E-Mails zu antworten. Aber manchmal habe ich mich dabei ertappt, dass ich zu schnell rede oder schreibe – ohne wirklich nachzudenken, was ich eigentlich sagen möchte. Ich habe gelernt, dass es mir hilft, mir Zeit zu nehmen, bevor ich antworte. Ein Moment der Stille gibt mir Raum, um zu überlegen: Was möchte ich wirklich sagen? Oft merke ich, dass meine Antwort viel klarer und präziser wird, wenn ich mir diesen Moment gönne.
Es passiert mir immer wieder, dass ich durch Schweigen eine andere Qualität ins Gespräch bringe. Sei es mit Kolleginnen, meinem Partner oder meinen Kindern – wenn ich mir die Zeit nehme, wirklich zuzuhören, entsteht etwas Neues. Schweigen gibt dem anderen Raum, sich zu äußern, ohne dass ich gleich reagiere. Das verändert das Gespräch, weil es nicht nur ums Reden geht, sondern ums Verstehen. Manchmal bin ich überrascht, wie oft das verhindert, dass Missverständnisse entstehen oder Dinge gesagt werden, die ich später bereue.
Ein Weg zu besseren Entscheidungen
Auch im Beruf habe ich gemerkt, wie mächtig Schweigen sein kann. In Meetings habe ich oft das Bedürfnis, meine Meinung sofort zu äußern oder eine Idee in den Raum zu werfen. Aber wenn ich innehalte und erstmal zuhöre, passiert etwas Spannendes: Ich höre mehr. Schweigen gibt mir die Chance, alle Informationen zu sammeln, meine Gedanken zu ordnen und dann klarer zu antworten.
Schweigen hat mir dabei geholfen, souveräner und selbstbewusster zu wirken – nicht durch die Menge meiner Worte, sondern durch die Klarheit meiner Gedanken. Und ich habe festgestellt, dass meine Worte mehr Gewicht haben, wenn ich sie mit Bedacht wähle.
So kannst du Schweigen im Alltag üben
1. Schweigen vor dem Reden üben
Beim nächsten Gespräch mit einer Kollegin, Freundin oder deinem Partner: Statt sofort zu antworten, halte inne. Atme tief ein und überlege, was du wirklich sagen möchtest. Oft sind die Worte, die nach einem Moment des Schweigens kommen, viel klarer und gezielter.
2. Momente der Stille in den Alltag einbauen
Nimm dir jeden Tag ein paar Minuten, um bewusst zu schweigen. Das kann morgens nach dem Aufwachen sein, vor dem Schlafengehen oder in einer kurzen Pause zwischendurch. Schalte alle Ablenkungen aus – keine Musik, kein Handy – und gönne dir diese Zeit der Stille. Dadurch schaffst du den Raum, dir selbst zu begegnen.
3. Das Schweigen in der Kommunikation nutzen
Vor dem Absenden einer wichtigen E-Mail oder Nachricht: Lies sie durch und lasse sie dann einige Minuten oder Stunden ruhen. Diese kurze Pause kann verhindern, dass du im Eifer des Gefechts etwas sagst, was du später bereust.
4. Zuhören statt Reden
In einem Gespräch: Achte darauf, wie oft du sprichst und wie oft du wirklich zuhörst. Übe dich darin, bewusst schweigend zuzuhören und deinen Gesprächspartner ausreden zu lassen, ohne sofort zu antworten.
Fazit: Schweigen, um mehr zu sagen
Ich rede gern und viel, doch ich habe gelernt, dass Schweigen eine mächtige Ergänzung zum Reden ist. Schweigen gibt meinen Worten mehr Gewicht, klärt meine Gedanken und lässt mich wirklich zuhören. Es ist kein Zeichen von Passivität, sondern eine bewusste Entscheidung, die Qualität meiner Kommunikation zu verbessern.
Ich rede gern und viel. Wenn ich jedoch nicht hin und wieder schweige, habe ich
nichts zu sagen.
Wie erlebst du das Schweigen in deinem Alltag? Hast du bereits positive Erfahrungen damit gemacht? Teile deine Gedanken und Tipps in den Kommentaren! Ich freue mich auf den Austausch.